Weibliche Genitalverstümmelung An die 67.000 Frauen und Mädchen in Deutschland betroffen

Die Zahl der weiblichen Genitalverstümmelungen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. 66.707 Frauen mussten hierzulande eine solche Menschenrechtsverletzung erleiden. Das zeigt eine neue Untersuchung, die Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey am 25. Juni vorgestellt hat.

Die Erhebung wurde im Auftrag des Bundesfamilienministeriums nach einer von dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen entwickelten Methodik erstellt. Im Vergleich zu den im Februar 2017 vom Bundesfamilienministerium veröffentlichten Zahlen ist das ein Anstieg von 40 Prozent. Die meisten betroffenen Frauen stammen aus Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und Irak.

Die deutliche Steigerung der Zahl der betroffenen und gefährdeten Frauen und Mädchen ist darauf zurückzuführen, dass mehr Menschen aus Herkunftsländern, in denen weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, nach Deutschland gekommen sind.

Auch bei den Minderjährigen sind die Zahlen erschreckend hoch: Zwischen 2785 und 14.752 Mädchen sind in Deutschland von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Anstieg um bis zu 160 Prozent. Mädchen aus den Herkunftsländern Somalia, Eritrea, Ägypten, Nigeria und Irak sind dabei zahlenmäßig besonders in Gefahr. Die beiden sich stark unterscheidenden Zahlen liegen darin begründet, dass zwei verschiedene Szenarien berechnet wurden: Im Minimalszenario wird davon ausgegangen, dass in der zweiten Generation keine weiblichen Genitalverstümmelungen mehr durchgeführt werden. Beim Maximalszenario wurde angenommen, dass auch in der zweiten Generation weibliche Genitalverstümmelungen durchgeführt werden.

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey:

"Weibliche Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und eine archaische Straftat, die Mädchen und Frauen in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung verletzt. Sie hat lebenslange physische und psychische Folgen für die Betroffenen. Unser Ziel im Bundesfamilienministerium ist es, dass keine weiblichen Genitalverstümmelungen mehr in Deutschland stattfinden. Wir wollen Mädchen und junge Frauen davor schützen und ihnen Hilfe anbieten. Dabei ist es essentiell, dass Hebammen Wissen und Kenntnisse über weibliche Genitalverstümmelung besitzen. Nur so können sie die Betroffenen angemessen begleiten und unterstützen."

Hebammen sind wichtige Ansprechpartnerinnen

Denn Hebammen können für Betroffene wichtige Unterstützung leisten. Ein großer Erfolg ist deshalb die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Sie berücksichtigt erstmalig die besonderen Belange von Frauen, die von einer weiblichen Genitalverstümmelung betroffen sind.

Bei der Vorstellung der neuen Zahlen hat Bundesfamilienministerin Giffey heute von Fadumo Korn, der 1. Vorsitzenden von NALA - Bildung statt Beschneidung e.V., die Petition "Genitalverstümmelung in Deutschland bekämpfen" entgegengenommen.

Dr. Franziska Giffey:

"Wir im Bundesfamilienministerium arbeiten gemeinsam mit Ländern und NGOs an Maßnahmen zu Prävention, Schutz und Aufklärung. Der enge Zusammenschluss mit den NGOs ist mir ein besonders wichtiges Anliegen, denn diese Organisationen schaffen es, Aufklärung und präventive Maßnahmen in die jeweiligen Communities hineinzubringen. Deswegen unterstütze ich Fadumo Korn, die 1. Vorsitzende von NALA, bei ihrem Einsatz gegen weibliche Genitalverstümmelung. NALA bedeutet in der Sprache der Kisuaheli 'Die Löwin'. Ich finde, das ist ein sehr passendes Bild für all das, was wir für den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung brauchen: Kraft, Mut und Engagement gegen diese Menschenrechtsverletzung und den gemeinsamen Schulterschluss."

Arbeitsgruppe gegen weibliche Genitalverstümmelung

Das Bundesfamilienministerium leitet die Arbeitsgruppe zur Überwindung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland, in der sechs Bundesressorts, die Bundesländer, die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, die Bundesärztekammer, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Integra, die Dachorganisation von NGOs, die sich in Deutschland gegen weibliche Genitalverstümmelung einsetzen, vertreten sind.

In dieser Bund-Länder-NGO-Arbeitsgruppe wird auch die Einführung eines von der Bundesregierung herausgegebenen Schutzbriefes gegen weibliche Genitalverstümmelung diskutiert. Er soll dazu dienen, Familien, die in ihre Heimatländer reisen, durch die Information über drohende Gefängnisstrafen davon abzuhalten, eine Genitalverstümmelung im Heimatland durchzuführen. Durch den Verweis auf die strafrechtlichen Konsequenzen wäre der Schutzbrief ein wichtiges Instrument der Prävention.

Weltweit wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über 200 Millionen Frauen und Mädchen einer weiblichen Genitalverstümmelung unterzogen, geschätzte drei Millionen Mädchen sind von ihr bedroht.